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Tauchgang #11: Kleine laute Stimmen





Hast du dich jemals gefragt, warum du immer wieder an denselben Herausforderungen scheiterst, obwohl du genau weißt, was du eigentlich tun müsstest? Warum du manchmal kurz vor einem Erfolg plötzlich den Rückzug antrittst? Oder warum du dich in bestimmten Situationen kleiner machst, als du bist? Oder hast du schon mal das Gefühl gehabt, dass du nicht genug bist? Nicht gut genug, nicht erfolgreich genug, nicht perfekt genug? Willkommen im Club der kleinen, lauten Stimmen!

 

Manche nennen diese kleine, laute innere Stimme, die uns mit Zweifeln, Ängsten und alten Glaubenssätzen davon abhält, unser volles Potenzial zu entfalten, auch den inneren Kritiker oder den kleinen Saboteur. Er taucht auf, wenn wir eine neue Herausforderung annehmen, eine mutige Entscheidung treffen oder uns aus unserer Komfortzone bewegen wollen. Sein Ziel? Er will uns eigentlich nur beschützen, aber leider auf eine Art und Weise, die uns mehr schadet als nützt. Er ist in unserer Kindheit entstanden, und obwohl er mit uns mitgewachsen ist, sieht er unsere Welt durch die Brille unserer früheren Erfahrungen, Prägungen und übernommenen Denkmuster. Wenn wir z.B. in unserer Kindheit gelernt haben, dass Fehler gefährlich sind oder dass man sich anpassen muss, um akzeptiert zu werden, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass unser Saboteur diese Überzeugungen übernommen und nie abgelegt hat. Und das kann uns als Erwachsene oft unbewusst zurückhalten und uns das Leben schwermachen.

 

Wie sabotieren wir uns selbst?

 

Selbstsabotage kann viele Formen annehmen:


  • Perfektionismus: Wir fangen Dinge gar nicht erst an, weil wir sie nicht gut genug können.

  • Aufschieberitis (Prokrastination): Wir schieben wichtige Aufgaben hinaus, bis der Druck unerträglich wird.

  • Selbstzweifel: „Ich kann das nicht!“ „Ich bin nicht gut genug!“ „Andere sind besser!“

  • Übermäßige Anpassung: Statt für unsere eigenen Wünsche einzustehen, versuchen wir, es allen recht zu machen.

  • Angst vor Erfolg: Klingt paradox, aber manche Menschen sabotieren sich selbst, weil Erfolg auch Veränderung und Verantwortung mit sich bringt.

 

Schauen wir uns Perfektionismus als eine der Lieblingsmasken des kleinen Saboteurs für einen Moment etwas genauer an: Perfekt zu sein klingt erstmal wie etwas Gutes, oder? Wer will nicht Dinge möglichst gut machen und alles perfekt beherrschen? Dann wäre alles leichter und die Bewunderung und Anerkennung der anderen wäre uns sicher! In Zeiten von Social Media wird in unserer leistungs- und scheinorientierten Welt Perfektion oft als erstrebenswert dargestellt. Dabei ist eher das Gegenteil der Schlüssel zu einem erfüllten Leben. Perfektionismus ist selten ein Zeichen von hohen Standards, sondern eher eine aus unserer Kindheit übernommene Schutzstrategie. Perfektionisten glauben unbewusst: „Wenn ich alles perfekt mache, werde ich geliebt und akzeptiert.“ Das Problem? Perfektion ist eine Illusion. Wer sich ständig daran misst, der fühlt sich am Ende nie gut genug: Unser Perfektionismus schürt in uns die Angst vor Fehler, drängt uns zu ständigen Vergleichen mit anderen und der Druck, immer alles richtig zu machen ist am Ende psychisch und körperlich zermürbend.

 

Dr. Brené Brown, vielleicht aktuell die führende Forscherin auf diesem Gebiet, hat durch ihre Studien unter anderem herausgefunden, dass Menschen, die sich als glücklich beschreiben, eines gemeinsam haben: Sie erlauben sich, unperfekt zu sein und sich selbst mit all ihren wunderbaren Fehlern zu akzeptieren:

 


 

Aber, warum zweifeln einige von uns ständig an sich, während andere Herausforderungen mit Zuversicht annehmen? Die Psychologin Carol Dweck liefert in ihrem Buch „Mindset“ eine verblüffend einfache, aber tiefgreifende Antwort: Es kommt auf die innere Einstellung an. Dweck unterscheidet zwischen zwei grundlegenden Denkweisen:

 

  • Fixed Mindset (statisches Denken): Menschen mit einem Fixed Mindset glauben, dass Intelligenz, Talent und Fähigkeiten angeboren sind; entweder man hat sie oder eben nicht. Diese Menschen vermeiden eher als andere Herausforderungen, aus Angst vor dem Scheitern, und geben oft schnell auf. Fehler bedeuten für sie Versagen.

     

  • Growth Mindset (dynamisches Denken): Menschen mit einem Growth Mindset sind überzeugt, dass sie durch Übung, Anstrengung und Lernen besser werden können (siehe Tauchgang #1). Sie sehen Herausforderungen als Chancen, geben nicht so schnell auf und betrachten Fehler als wertvolle Lektionen.

 

Was bedeutet das für unser Leben?

 

Unsere Denkweise beeinflusst, wie wir di Hürden unseres Lebens meistern – egal ob in der Schule, im Job, in Beziehungen und im Sport.

  • Kinder mit einem Fixed Mindset denken: „Ich bin eben nicht gut in Mathe!“ Kinder mit einem Growth Mindset sagen: „Ich kann Mathe lernen, wenn ich übe!“

  • Im Beruf: Menschen mit einem Fixed Mindset fürchten Kritik und Herausforderungen. Mit einem Growth Mindset sind Fehler und Feedback Chancen zum Wachsen.

  • Im Privatleben: Ein Fixed Mindset kann Beziehungen blockieren („Ich bin halt so, ich kann mich nicht ändern!“), während jemand mit einem Growth Mindset eher offen für Entwicklung ist („Wir können gemeinsam wachsen!“).

 

Carol Dwecks Forschung zeigt: Unser Erfolg hängt nicht nur von Talent oder Intelligenz ab, sondern vor allem davon, wie wir denken (siehe auch Tauchgang # 6). Mit einem Growth Mindset können wir Hindernisse leichter überwinden, kontinuierlich lernen und unser Potenzial entfalten. Wie das geht? Ein erster wichtiger Schritt besteht darin, die kleine laute Stimme unseres Saboteurs wahrzunehmen, anzunehmen und mit ihr in den Dialog gehen.  Das können wir z.B. dadurch, dass wir


  • darauf achten, was wir über unsere Herausforderungen denken, und dieses „Skript“ umschreiben

  • nicht nur auf das Endergebnis unserer Anstrengungen fixiert sind, sondern unsere Anstrengung und die vielen kleinen Lernerfolge ins Scheinwerferlicht stellen

  • unsere Fehler nicht als Niederlagen, sondern als Lektionen betrachten

  • bewusst und immer öfter unsere Komfortzone verlassen, denn Wachstum passiert außerhalb ihrer Grenzen.

     

Und, wo wir schon dabei sind: Woran hindert dich dein kleiner Saboteur gerade? Was brauchst du, um dir zu sagen „Ich kann … noch nicht, aber ich werde es lernen!“? Und, was kannst du tun, um dir jetzt, in diesem Augenblick zu erlauben, unperfekt und dafür echt zu sein?

 

Der Kern des Pudels:

Jeder von uns befindet sich bewusst oder unbewusst seit unserer Kindheit in der Gesellschaft eines inneren Kritikers, der uns meist dann dazwischenfunkt, wenn wir es am wenigsten brauchen. Er gehört zu unserem Leben, aber wir müssen nicht auf Ewig der Spielball unseres kleinen Saboteurs bleiben. Es gibt viele Wege, um ihn zu entlarven und ihn Stück für Stück zu entmachten:

 

  • Bewusstwerden: Der erste Schritt ist, zu erkennen, wann der kleine Saboteur am Werk ist. Welche Sätze flüstert er uns ein? In welchen Situationen taucht er besonders oft auf?

  • Hinterfragen: Wenn wir uns vorstellen, unser innerer Saboteur wäre eine Person, würden wir ihm alles glauben? Wahrscheinlich nicht! Fragen wir uns: Ist das wirklich wahr? Gibt es Beweise für das Gegenteil?

  • Neue innere Dialoge entwickeln: Statt „Ich kann das nicht!“ könnten wir uns sagen: „Ich probiere es aus, und wenn es nicht funktioniert, lerne ich daraus.“

  • Mutig handeln trotz Angst: Der kleine Saboteur wird nie ganz verschwinden, und wir können üben, ihn nicht das Steuer übernehmen zu lassen. Just do it! Nehmen wir es ihm immer wieder mal beherzt aus der Hand, auch wenn die Angst da ist – und schauen was „passiert“.

 

Und das, was in der Regel passieren wird, ist, dass unser innerer Kritiker immer leiser wird, wir uns von seinen Fesseln befreien und unser Leben bewusster, mutiger und selbstbestimmter gestalten. Na, wie klingt das?

 

Wie Coaching unterstützen kann:

Coaching kann helfen, den inneren Kritiker zu bändigen und einen Growth Mindset zu entfesseln. Durch gezielte Methoden, Übungen, Rollenspiele, Reflektion und Feedback kann ein Coach helfen, hinderliche Selbstzweifel zu entlarven, umzuprogrammieren und durch ein wachstumsorientiertes Mindset zu ersetzen.

 

Hinderliche Selbstgespräche können so erkannt und in motivierende Überzeugungen umgewandelt werden. Durch einen Wechsel der Perspektiven lernen wir, Herausforderungen als Lernfelder zu nutzen, Chancen, statt Blockaden zu sehen und damit seine Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit und Resilienz zu steigern. Durch Entwicklung neuer Denkmuster und Sichtweisen können wir mit der Unterstützung eines Coaches lernen, unseren Weg zukünftig mit einem leiseren inneren Saboteur zu gehen, der schweigsam und im besten Fall unauffällig nur noch neben uns herläuft, und der seinen Beitrag dann leistet, wenn wir ihn bewusst dazu einladen.

 

Meine Bücher des Monats:

The Gifts of Imperfection (Dr. Brené Brown, 2020)

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