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Tauchgang #13: Geschlossene Gesellschaft

  • parthenaintze0
  • May 1
  • 6 min read



In einem Leben, das von schnellerem Wachstum, besseren Gewohnheiten und schnelleren Verbesserungen geprägt ist, ist es verlockend zu glauben, dass wir andere dazu drängen können, so zu werden, wie sie unserer Meinung nach sein sollten. Egal, ob es sich um unseren Partner, unser Kind, einen Freund oder einen Kollegen handelt, viele von uns tappen in die Falle zu glauben, dass sie sich endlich ändern werden, wenn wir es nur besser erklären, eindringlicher auf sie einreden, ein wenig mehr Druck ausüben oder sie überzeugen. Nicht selten sind wir enttäuscht, wenn unsere gut gemeinten Bemühungen nach hinten losgehen und mit dem Widerstand der anderen Person erwidert werden. Wie undankbar von ihnen! Warum können sie nicht sehen, dass wir nur ihr Bestes wollen? Warum sind sie so starrköpfig und blind?

 

Warum? Weil wir Menschen auf Autonomie getrimmt sind. Wir wollen das Gefühl haben, dass unsere Handlungen selbstbestimmt sind. Wenn wir uns gezwungen, beurteilt oder kontrolliert fühlen, stellt uns unser Instinkt auf unsere Hinterbeine  - selbst wenn wir irgendwie doch wissen, dass eine Veränderung gut für uns wäre. Damit jedoch eine echte und dauerhafte Transformation in Gang gesetzt wird, ist es wichtig zu akzeptieren, dass die Motivation zur Veränderung eine innere Angelegenheit ist.

 

Warum ist das so?


Unser Gehirn ist evolutionär auf Effizienz und Überleben ausgelegt, nicht unbedingt auf Wachstum (siehe Tauchgang #5). Das ist der Grund, warum es bevorzugt, auf gewohnten, eingefahrenen neuronalen Pfaden zu wandern. Wir klammern uns an vertraute Muster, weil sie uns bekannt sind und weil sie uns ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, auch wenn es Muster sind, die uns nicht wirklich guttun.

 

Der andere Grund, warum wir auf Veränderungen mit Widerstand reagieren, ist Angst. Alles was neu ist, ist ungewohnt und bringt Unsicherheit mit sich, die das Gehirn als Bedrohung interpretieren kann. Dabei kann es nicht immer gut zwischen physischer, tatsächlicher Gefahr und psychischem Unbehagen unterscheiden. Es reagiert so, als ob beides gleichermaßen bedrohlich wäre. Das löst das Alarmsystem unseres Gehirns, die Amygdala, aus, die die Sirenen einschaltet und ihre Stresshormone, Cortisol und Adrenalin, freisetzt. All das geschieht in weniger als einem Wimpernschlag und zielt darauf ab, unseren Körper entweder auf Kampf, Flucht oder Erstarren vorzubereiten, damit er der Bedrohung entkommen kann. Der Widerstand gegen eine unaufgeforderte Aufforderung zur Veränderung ist daher eine automatische menschliche Reaktion, die uns vor der Gefahr schützen soll, die wir damit verbinden, dass unsere Autonomie auf dem Spiel steht.

 

Der Widerstand gegen Veränderungen hängt auch eng damit zusammen, wie unser Gehirn kurzfristige und langfristige Belohnungen verarbeitet (siehe Tauchgang #1und Tauchgang #2). Kurzfristige Belohnungen aktivieren das limbische System und sorgen für schnelle „Lustschübe“, die zum sofortigen Handeln motivieren. Bei der Verfolgung langfristiger Ziele ist hingegen der präfrontale Kortex gefragt, der für Planung, Selbstkontrolle und verzögerte Belohnung zuständig ist. Und weil das limbische System schneller und emotionaler agiert, treibt es uns oft dazu, an Gewohnheiten festzuhalten, die uns sofortige Befriedigung verschaffen, obwohl wir rational wissen, dass es langfristig vorteilhafter wäre, etwas Neues und Ungewohntes auszuprobieren. Unser Gehirn muss sich deutlich mehr anstrengen, um der Verlockung unmittelbarer Belohnungen zu widerstehen und sich auf weit entfernte, sinnvollere Belohnungen zu konzentrieren - was (wieder) seinen Energiehaushalt aus dem Gleichgewicht zu bringen droht.


Diese Aufteilung erklärt, warum sich kurzfristige Belohnungen oft verlockender anfühlen: Das emotionale, schnell reagierende limbische System kann den bedächtigeren, langsamer arbeitenden präfrontalen Kortex überwältigen. Außerdem wird Dopamin, ein Neurotransmitter, der für unsere Motivation von zentraler Bedeutung ist, ausgeschüttet, wenn wir Belohnungen erwarten, wodurch widerum Verhaltensweisen, die sich gut anfühlen, verstärkt werden. Aber Dopamin fördert auch Gewohnheiten, was im Gegenzug Veränderungsprozesse (welch Überraschung!) erschwert. Hallo, Teufelskreis!


Was tun?

 

Die traurige Wahrheit ist, dass wir andere Menschen nicht zwingen können, sich zu ändern. Das führt sehr wahrscheinlich eher zu Spannungen oder und emotionale Distanz. Echter, nachhaltiger Wandel kann nur aus der eigenen intrinsischer Motivation heraus entstehen: wenn der Wunsch zu wachsen, sich zu entwickeln oder anders zu handeln von innen kommt.

 

Intrinsische Veränderungen finden statt, wenn die Person die Notwendigkeit erkennt, sich selbst zu verändern, emotional in das Ergebnis der Veränderung investiert ist und es mit seinen eigenen Werten und Zielen in Verbindung bringt. Psychologische Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Menschen, die sich für ihre Entscheidungen verantwortlich fühlen, viel eher dazu bereit sind, sie durchzuziehen. Ganz gleich, ob es darum geht, mit dem Rauchen aufzuhören, die Arbeitsgewohnheiten zu verbessern oder einen neuen Lebensstil anzunehmen - eine selbstmotivierte Veränderung ist immer nachhaltiger und sinnvoller.

 

Wir alle wollen das Gefühl haben, die Kontrolle über unsere Entscheidungen, Handlungen, Wahlmöglichkeiten, Karrieren und über unser Leben zu haben - und wir verteidigen diesen Anspruch für uns selbst gegenüber anderen. Ironischerweise, tuen wir uns jedoch oft schwer, dieses Recht auch anderen zuzugestehen. Stattdessen verschwenden wir unsere Zeit damit, immer wieder zu versuchen, andere zu kontrollieren, und wundern uns, warum sie nicht willens oder bereit sind, sich zu ändern, nur weil wir es wollen. Wenn Druckausüben also nicht funktioniert, was können wir dann tun, um jemandem zu helfen, der uns am Herzen liegt? Wir brauchen einen anderen Ansatz.

 

Dass wir jemanden nicht ändern können, bedeutet nicht, dass wir ihn nicht beeinflussen können. Die beste Art, dies zu tun, beruht auf Respekt und Geduld. Sie ehrt sowohl die innere Bereitschaft und den Prozess der anderen Person als auch unseren eigenen Seelenfrieden:

 

  • Wir können das gewünschte Verhalten vorleben und ein Beispiel sein. Ein bekanntes Sprichwort ermutigt uns, die Veränderung zu sein, die wir in der Welt sehen wollen. Wir können andere inspirieren, indem wir den Wandel, den wir uns wünschen, vorleben, ohne ihn zu predigen.


  • Wir sähen Samen durch das Teilen von Ideen, Ressourcen oder Geschichten - behutsam, ohne sie an unmittelbare Ergebnisse zu binden - kann ebenfalls sehr effektiv sein. Andere wissen zu lassen, dass wir für sie da sind, wenn sie Hilfe brauchen, dass sie aber selbst entscheiden können, welchen Weg sie einschlagen wollen, ist eine wunderbare Möglichkeit, Mitgefühl zu zeigen und die Autonomie des anderen zu respektieren. Wir bieten ihnen unsere Unterstützung an, keine Ultimaten.


  • Vertrauen in ihren Prozess, ihr Timing und die Anerkennung, dass sie (genau wie wir) das Recht haben, ihren eigenen Weg zu gehen, auch wenn er sich von dem unterscheidet, was wir uns vorstellen, können viel bewirken. Es zeigt auch, dass wir ihnen vertrauen, und dass wir daran glauben, dass sie sich ändern können. Es zeigt der anderen Person auch, dass sie in uns einen sicheren und vorurteilsfreien Raum für ihren Wandel haben.

 

Der Kern des Pudels:

Einen Partner zu ermahnen, gesünder zu leben, einen Freund zu drängen, "die Kurve zu kriegen", oder einen Mitarbeiter zu einem Perspektivenwechsel zu zwingen, führt selten zu einer echten Veränderung. Menschen ändern sich nur, wenn sie Lust dazu haben; wir können sie nicht unter Druck setzen, wenn sie nicht dazu bereit sind. Die Bereitschaft zur Veränderung muss von innen kommen, und keine noch so große Kraft von außen kann diesen inneren Prozess abkürzen.


Wir Menschen sind darauf programmiert, uns dem zuzuwenden, was sich im Moment gut anfühlt, und uns von dem zu entfernen, was im Moment schmerzhaft ist. Obwohl wir wissen, dass sich der Gang ins Fitnessstudio in ein paar Monaten auszahlen wird, sind das Sofa und die Fernbedienung in diesem Moment viel zu verlockend, um aufzdustehen und zu trainieren. Wir neigen dazu, das zu wählen, was jetzt angenehm ist. Das ist nicht so bedrohlich und verbraucht weniger Energie. Wenn wir jemanden unter Druck setzen, kämpfen wir gegen diese Programmierung und die Evolution des menschlichen Gehirns und gegen unsere automatische neurologische Reaktion auf Bedrohung. Unser Gehirn und unser Verhalten sind darauf konditioniert, uns in Sicherheit zu halten. Das Vermeiden von Schmerz, d. h. der Widerstand gegen Veränderungen, ist eine unbewusste Strategie unseres Gehirns, um unser emotionales Gleichgewicht zu erhalten.


Wie Mel Robbins in ihrem Buch "The Let Them Theory" hervorhebt, ist es keine Schwäche, sondern Weisheit, zu lernen, "sie zu lassen". Das Loslassen des Bedürfnisses, andere zu kontrollieren (siehe auch Tauchgang #10), befreit uns von dem anstrengenden, fruchtlosen Kampf, das Wachstum anderer zu steuern, und erlaubt uns, uns auf die einzige Person zu konzentrieren, die wir wirklich ändern können: uns selbst.

 



 

Wie Coaching unterstützen kann:

Coaches können ihren Klienten helfen, neue Verhaltensweisen zu erkennen und einzuüben, die das Potenzial haben, neue neuronale Bahnen zu verstärken - und die Neuroplastizität zu verbessern. Indem sie uns helfen, Wege zu finden, unsere Reaktion auf empfundene Gefahre durch einen unterstützenden Dialog zu bewältigen, können Coaches ein sicheres, nicht wertendes Umfeld schaffen, in dem ein Klient erfahren kann, wie es sich anfühlt, Angst und Widerstand im Zusammenhang mit Veränderungen zu reduzieren.

 

Wenn Coaches ihre Klienten dabei unterstützen, sich sinnvolle Ziele zu setzen, indem sie die intrinsische Motivation und die Dopamin-gesteuerten Belohnungssysteme anzapfen, kann dies Motivation steigern. Coaches können ihren Klienten auch dabei helfen, Herausforderungen neu zu formulieren, so dass sie sich weniger bedrohlich anfühlen, Toleranz für alles Unwohlsame aufzubauen, langsam neue Muster zu kultivieren und Überforderung zu reduzieren. Durch die Nutzung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse im Zusammenhang mit Veränderungsprozessen und die Anwendung eines integrativen, systemischen Ansatzes, der all diese Elemente einbezieht, kann Coaching als Katalysator für bewusste, dauerhafte Veränderungen dienen.

 

Meine Bücher des Monats:

The Let Them Theory (Mel Robbins, 2025)

 
 
 

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